Sexting: Erotik in der modernen Welt

Einige Menschen kennen diese Situation: Man sitzt im Café oder im Büro oder kauft gerade ein und das Handy vibriert: Wieder mal eine Nachricht vom Schatz! Doch statt der Erinnerung, Wein mitzubringen oder mit dem Hund Gassi zu gehen, hat die Nachricht einen erotischen Inhalt. „Sexting“ – eine neue Wortkreation, die sich aus den  Begriffen „Sex“ und „Texting“ zusammensetzt, ist gerade unter jüngeren Leuten derzeit total „in“. 

Umfragen kommen zu dem Schluss, dass mindestens 60 Prozent der Minderjährigen und jungen Erwachsenen es schon mal mit Sexting versucht haben. Bei den Empfängern entfachen die Textnachrichten, die sich rund um das Thema Liebe und Lust drehen, zumeist ein wildes Kopfkino, und sie schüren die Lust auf den Partner bzw. den Schwarm oder Flirt. Die Textnachrichten sind teilweise auch dazu geeignet, einer Beziehung zu neuem Schwung im Bett zu verhelfen.

Dies gilt auch für erotische Fotos, insbesondere Selfies, die via WhatsApp & Co. verschickt werden. Selfies, die einen nackt zeigen, werden auch „Nelfie“ genannt. Diese Wortneuschöpfung setzt sich aus dem englischen Begriff für „nackt“ (= naked) und „Selfie“ zusammen. Beim Versenden von Nacktfotos ist besondere Vorsicht geboten! Denn wer pornografisches Material von Personen unter 16 Jahren zeigt, zugänglich macht oder öffentlich anbietet, macht sich strafbar. Es kann sogar eine mehrjährige Freiheitsstrafe drohen. Dazu kommt, dass Nacktfotos, die leicht auf Seiten im World Wide Web Internet landen können, für jedermann zugänglich sind und meistens nicht wieder gelöscht werden können. Und die Erfahrung zeigt immer wieder, dass Sexting schnell in die falsche Richtung abdriften kann.

Eine weitere Gefahr, die mit dem Sexting einhergeht: Sextortion, das ist eine Erpressungsmethode. Insbesondere junge Mädchen oder junge Frauen werden dabei aufgefordert, erotisches Bild- oder Videomaterial zu verschicken. Dieses nutzen die Erpresser dann zum Beispiel, um Geld abzukassieren. Oftmals fordern die Erpresser auch sexuelle Handlungen oder andere Leistungen ein. Oder der vermeintliche „Traummann“ droht damit, intimen Kontakt öffentlich zu machen oder ihn abzubrechen. Misstrauen ist folglich angesagt, wenn man dazu aufgefordert wird, Nacktfotos zu versenden. Dies gilt besonders für alle diejenigen, die Internet-Bekanntschaften pflegen. Schließlich weiß man nie, wer sich hinter einem Profil verbirgt. Aber auch bei Bekannten, Nachbarn und Freunden ist Misstrauen geboten, wenn diese um Nacktfotos bitten. Eifersucht oder Rache sind häufige Motive für Sextortion.

Kommunikationskanäle für Sexting gibt es wie Sand am Meer, einer der häufigsten ist WhatsApp. Und natürlich gibt es auch spezielle Sexting Apps. Auch hier gilt: erst schlau machen und die Sicherheit checken, dann lostippen. Und wer unbedingt Nacktfotos verschicken will, dabei aber auf Nummer sicher gehen möchte, sollte Nacktfotos immer ohne Gesicht verschicken.

Sexting und mentale Gesundheit

Amerikanische Kollegen wollten zuletzt herausfinden, ob Sexting (oder PSI = Posting Sexual Images) Rückschlüsse auf die mentale Gesundheit oder den mentalen Zustand erlaubt. Hintergrund: Als es die „modernen“ Medien und sozialen Kommunikationskanäle im Internet noch nicht gab, hat man den Austausch bzw. den Versand von Nacktbildern oder anderer sexueller Inhalte aus medizinischer Sicht mit Hypersexualität vergesellschaftet. Der Begriff bezeichnet sowohl ein erhöhtes sexuelles Verlangen als auch ein gesteigertes, sexuell motiviertes Handeln.

In der US-amerikanischen Studie wurden ausschließlich Militärveteranen interviewt. Ausgewählt hat man diese Probanden, weil bei ihnen Hypersexualität und Depressionen überproportional häufig auftreten, ebenso wie das Posttraumatische Belastungssyndrom (PTBS). Die Studienergebnisse: 53 Prozent der Militärveteranen hatten bereits Sexting praktiziert, 16 Prozent von ihnen hatten schon einmal Nacktfotos von sich versendet. Dabei war der Anteil der Veteranen mit einem niedrigen Bildungsniveau besonders hoch. Das Versenden von eigenen Nacktfotos wurde in der Untersuchung mit einer höheren Impulsivität und Hypersexualität assoziiert, wobei das Sexting keinerlei Hinweise auf psychopathologische Strukturen gab.

Sicherlich wird es noch einige weitere Studien geben müssen, um konkretere Aussagen bezüglich des Zusammenhangs zwischen Sexting und mentaler Gesundheit treffen zu können. Besonders spannend dürfte dabei die Beantwortung der Fragen sein, wer was wie häufig versendet und ob es in diesem Bereich gewisse Verhaltensmuster oder Psychopathologien gibt.

HSDD: Die sexuelle Dysfunktion ist gar nicht mal so selten

Das Gegenteil von Hypersexualität ist HSDD (Hypoactive Sexual Desire Disorder). Das ist eine sexuelle Dysfunktion, die vor allem durch den Mangel an sexueller Phantasie und Aktivität charakterisiert ist: Libidoverlust spielt also eine ganz große Rolle. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Einnahme von Antidepressiva zu den Nebeneffekten führen kann, die sich bei einer HSDD zeigen. Dazu gehören neben der Libidoreduktion (Verminderung der sexuellen Erregung = Arousal Difficulty) die erektile Dysfunktion, vaginale Trockenheit oder Orgasmus-Schwierigkeiten.

Tatsächlich können einige Antidepressiva Störungen der Sexualität zur Folge haben. Dies betrifft vor allem  die Wirkstoffgruppe der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI, z.B. Citalopram und Sertralin) oder auch der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI, z.B. Duloxetin und Venlafaxin). Sofern behandelnde Ärzte diese Medikamente verschreiben oder austauschen, muss in der Regel einige Wochen, teilweise auch mehrere Monate beobachtet werden, ob die unerwünschten Nebenwirkungen verschwinden. Das funktioniert ein bisschen nach dem Prinzip „Trial and Error“ – ein oftmals mühsamer Prozess, aber leider gibt es keine andere Möglichkeit. Obgleich manchmal auch schon eine Veränderung der Dosierung dazu führen kann, dass die Nebenwirkungen die Sexualitätsstörung weniger stark sind.

Sex und Sexting im Alter

Einige ältere Menschen unter den Lesern werden sich fragen, ob Sexting vielleicht nicht auch etwas für sie wäre? Immerhin kann es ein probates Mittel sein, um lange bestehenden Beziehungen frischen Wind einzuhauchen. Dazu kommt, dass insbesondere ältere Menschen ihre Sexualität oftmals als sehr unbefriedigend einstufen. Gerade in über Jahrzehnten währenden Beziehungen hat sich die Sexualität oftmals „abkühlt“, sie wird nicht mehr als so aufregend und gut empfunden wie in früheren Jahren. Die Folge: Die Lust lässt nach. Auch die Veränderungen des eigenen Gesundheitszustands oder des Gesundheitszustands des Partners bzw. der Partnerin tragen vielfach zu einem Libidoverlust bei. Die medizinische Perspektive: Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass das Sexleben auch im Alter weiter von Aktivität geprägt und durchaus erfüllend ist. Viele ältere Paare berichten sogar, dass der Sex mit zunehmendem Alter immer intensiver und inniger wird!

Gedrosselt werden kann der Spaß an der Liebe infolge physischer Faktoren. Das können zum Beispiel hormonelle Veränderungen sein, die Frauen wie Männer erleben. Nach der Menopause beispielsweise produziert der weibliche Körper weniger Östrogene. Diese sind unter anderem für die vaginale Gesundheit wichtig. Eine verminderte Östrogenproduktion kann vaginale Trockenheit und Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs hervorrufen. Bei den Männern reduziert sich im Alter das Königshormon Testosteron. Mit weniger Testosteron im Blut fühlen die Männer sich häufiger müde. Und sie haben eine verminderte Libido, weniger Interesse an der Sexualität oder sogar Erektionsstörungen.

Nicht gerade positiv auf die Sexualität wirken sich auch gesundheitliche Einschränkungen wie die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) aus. Aber auch kardiovaskuläre Erkrankungen, Tumore oder Arthritis können der Lust einen Riegel vorschieben. Eine untergeordnete Rolle spielt die Sexualität meistens auch, wenn im Alter kein (fester) Partner (mehr) vorhanden ist. Psychologische Faktoren wie Depressionen führen ebenfalls dazu, dass das Interesse an der Sexualität nachlässt. Einige Menschen im fortgeschrittenen Alter haben ferner Angst davor, im Bett nicht mehr so gut zu sein. Der Fachausdruck für dieses Phänomen: Performance Anxiety. Ebenso weit verbreitet ist Unzufriedenheit mit dem alternden Körper (Body Image Concerns). Wer sich im eigenen Körper unwohl fühlt, hat meistens auch keinen Spaß an der körperlichen Liebe. Dabei zeigen Studien, dass eine gute Sexualität sowohl für das psychogene Wohlempfinden, als auch für die körperliche Stimulanz ein wichtiger Faktor ist. Es gibt also mindestens zwei gewichtige Gründe, warum man darauf nicht verzichten sollte.

Sexuelle Phantasien im Alter

Sexting regt die Phantasie an. Daran führt kein Weg vorbei! Aber sind sexuelle Phantasien auch im Alter normal? Die klare Antwort ist: Ja!

Fast jeder Mensch hat sexuelle Phantasien. Viele träumen beispielsweise davon, sich draußen oder in der Öffentlichkeit zu lieben – ob im Fahrstuhl, am Strand oder in einem gut besuchten Park. Eher ungewöhnliche Stellungen beim Sex und Praktiken wie Oralverkehr (Cunnilingus und Fellatio) sind ebenfalls Thema vieler Phantasien. Wieder andere stellen sich vor, mit der Nachbarin, einem Mitarbeiter, einer bekannten Person oder aber gleichzeitig mit mehreren Partnern Sex zu haben. In einer Studie zum Thema verrieten viele Paare, dass sie ihre sexuellen Phantasien auch zur Erhöhung der Erregung während des sexuellen Aktes heranziehen.

Aus medizinischer Sicht spricht nichts gegen erotische Phantasien. Wer diese mit seinem Partner ausleben möchte, kommt allerdings nicht umhin, diese zu thematisieren. Wer weiß, vielleicht führt dies dazu, dass der in die Jahre gekommene Sex wieder an Fahrt aufnimmt. Ansonsten kann es auch schön sein, dass Kopfkino für sich zu genießen. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt!