Testosteron gegen Muskelschwund

Wer nach einer Erkrankung schon einmal eine längere Zeit im Bett verbringen musste, kennt das Phänomen: Wenn ein Mensch viel liegt und sich kaum bewegt, baut der Körper baut still und heimlich, aber auch sehr konsequent Muskeln ab. Bereits nach einer Woche ist ein Verlust von bis zu 25 Prozent der Muskelmasse möglich – und um diese wieder aufzubauen, kann es einen bis zu etwa sechsmal so langen Zeitraum benötigen wie zuvor der Abbau gedauert hat. 

Der Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft wird als Sarkopenie bezeichnet und ist inzwischen als Erkrankung anerkannt. Auslöser muss aber nicht unbedingt nur eine längere Bettruhe sein. Auch das ganz normale Älterwerden ist automatisch mit einem Verlust der Muskelmasse verbunden, meistens einhergehend mit einem Anstieg der Fettmasse im Körper – zumindest dann, wenn nicht aktiv etwas dagegen unternommen wird. Bereits ab dem 30. Lebensjahr sollte diesem Thema deshalb ein besonderes Augenmerk gewidmet werden.

Verfügen Sie über zu wenig Muskelkraft?

Ob jemand über zu wenig Muskelkraft verfügt, lässt sich mit einem ganz einfachen Test herausfinden: Man setzt sich auf einen Stuhl und verschränkt die Arme; dann muss versucht werden, möglichst schnell aufzustehen und sich wieder hinzusetzen. Wer das innerhalb von zehn Sekunden nicht mindestens fünfmal schafft, sollte den Hausarzt aufsuchen.

Studie im Weltall brachte neue Erkenntnisse

Nicht auf einem Stuhl, sondern im Weltraum fand ein anderer, sehr spannender Test zur Erforschung des Phänomens Muskelabbau statt. Denn seit jeher gibt es das ungelöste Problem, dass Astronauten während ihrer oft mehrmonatigen Weltraumflüge zum Teil erheblich an Muskelmasse und Muskelkraft verlieren. Auslöser dafür ist in diesem Fall die Schwerelosigkeit. Bislang war noch kein geeignetes Trainingsprogramm gefunden worden, mit dem sich bei den Astronauten eine temporäre Sarkopenie verhindern lässt. Die US-Raumfahrtbehörde NASA startete deshalb ein Programm mit dem Namen „SPRINT“, bei der die Wirkung von Testosteron für die Muskelmasse untersucht werden sollte.

Die Schwerelosigkeit wurde bei der in Houston im US-Bundesstaat Texas durchgeführten Untersuchung mit Hilfe einer 70-tägigen Bettruhe in der sogenannten Sechs-Grad-Kopftieflage simuliert. Das bedeutet: 70 Tage lang mussten die Probanden auf einem zum Kopf hin um sechs Grad geneigten Bett liegen. Die teilnehmenden Probanden waren zwischen 27 und 43 Jahre alt, befanden sich in einem guten Gesundheitszustand und verfügten über einen normalen Testosteronwert. Sie wurden in drei Gruppen aufgeteilt: Die Teilnehmer der ersten Gruppe (Bezeichnung: CON)  verhielten sich während der gesamten Testphase passiv, bewegten sich also so gut wie gar nicht. Die Angehörigen der zweiten Gruppe (TEX) und der dritten Gruppe (PEX) waren aktiv und mussten sechs Tage die Woche ein bestimmtes Trainingsprogramm durchlaufen. Die TEX-Probanden erhielten zusätzlich Testosteron, während die PEX-Probanden lediglich Placebos zu sich nahmen. In der 70-tägigen Testphase wurde jedem Probanden regelmäßig die Fettmasse in den Beinen und im Rumpf gemessen – mit erstaunlichen Ergebnissen.

In der PEX-Gruppe, in der sich die Probanden zwar aktiv verhielten, jedoch keine Testosteronbehandlung bekamen, blieben die Werte im gemessenen Zeitraum nahezu konstant. Lediglich die Fettanteile im Rumpf stiegen etwas an.

Ganz anders die Entwicklung in der passiven CON-Gruppe: Hier stieg bei den Probanden die Fettmasse sowohl in den Beinen als auch im Rumpf kontinuierlich an. Gleichzeitig sank vor allem die fettfreie Masse im Bein; die fettfreie Rumpfmasse verringerte sich ebenfalls, allerdings nur leicht.

Und was wurde bei den TEX-Probanden beobachtet, die aktiv ein Trainingsprogramm absolvierten und zusätzlich eine Testosteronbehandlung erfuhren? Bei ihnen zeigte sich die mit Abstand positivste Entwicklung. In den Beinen und im Rumpf stieg der fettfreie Anteil zum Teil sehr deutlich, während die Beinfett- und auch die Rumpffettmasse abnahmen.

Was bedeuten diese Ergebnisse der NASA-Untersuchung?

Bei den Männern, die während der 70-tägigen-Bettruhe das aktive Trainingsprogramm absolvierten, wirkte sich die Erhöhung des Testosteronspiegels also sehr positiv aus. Die Zunahme des Fettanteils im Körper und somit auch der massive Abbau von Muskelmasse konnte verhindert werden. Diese Erkenntnis, darin sind sich Mediziner einig, hilft künftig nicht nur Astronauten bei ihren Weltraumflügen, sondern auch allen „normalen“ Menschen auf der Erde, denen während einer längerer Bettruhe oder auch ganz einfach beim Älterwerden ein Muskelabbau droht.

Wichtig ist aber auch die Erkenntnis, dass es unbedingt ein Zusammenwirken von körperlichen Übungen einerseits und einer hormonellen Substitutionstherapie andererseits braucht – Testosteron alleine hilft nicht! Analog zeigt die Untersuchung ebenso, dass für Männer mit einem Testosteronmangel nicht nur ein gezieltes Körpertraining wichtig ist, sondern eben auch eine hormonelle Substitutionstherapie. Ziel sollte es sein, wieder einen normalen Testosteronwert zu erreichen. Und mit diesen beiden Ansatzpunkten ist das auch möglich.

Warum ist ein Abbau von Muskelmasse schlecht für den Körper?

Mag sein, dass vor allem junge Menschen oft auch aus ästhetischen Gründen ins Fitnessstudio gehen, um dort ihre Muskeln aufzubauen. Das heißt aber nicht, dass es älteren Menschen egal sein sollte, was mit ihrer Muskelmasse passiert. Denn wer einem Abbau der Muskelmasse tatenlos zusieht, kann schnell in eine gefährliche Spirale geraten: Wenn die Muskelmasse geringer wird, hat das auch Auswirkungen auf den Stoffwechsel und den Energieverbrauch des Körpers. Beide werden gedrosselt, was dann wiederum weniger Appetit zur Folge hat. Wer aber weniger isst, läuft Gefahr, insgesamt schwächer und kraftloser zu werden. Dies mündet dann nicht selten in eine körperliche Passivität, wodurch die Muskelmasse erst recht schwindet. Dass bei älteren Menschen ein höheres Risiko für Stürze und damit verbunden auch Knochenbrüche besteht, hat nicht zuletzt mit genau diesem Verlust von Muskelmasse zu tun.

Wie kann jeder etwas gegen einen Muskelabbau tun?

An erster Stelle ist hier die regelmäßige Bewegung zu nennen. Empfehlenswert ist zudem ein gezieltes Training der Muskulatur. Welche Möglichkeiten es hier gibt und was je nach körperlicher Verfassung ratsam beziehungsweise zumutbar ist, kann am besten bei einem Arztbesuch geklärt werden. Grundsätzlich zu beachten ist das Zusammenspiel von Training und Ernährung. Wer zum Beispiel intensiven Ausdauersport betreibt, sollte direkt anschließend seinem Körper eine Energiezufuhr ermöglichen. Bekommt er diesen Energieschub nicht und sind auch die Energiespeicher leer, dann holt sich der Körper die dringend benötigte Energie aus den Muskeln und ein Muskelabbau wird eingeleitet.

Wie kann die Ernährung beim Muskelaufbau helfen?

Ein Aufbau der menschlichen Muskulatur wird vor allem durch eiweißreiche (proteinhaltige) Lebensmittel unterstützt. Dazu eine Faustformel: Pro Kilogramm Körpergewicht sollte jeder täglich 0,8 Gramm Eiweiß zu sich nehmen. Allerdings kann der Körper pro Mahlzeit nur maximal 30 Gramm Proteine gut verarbeiten, weshalb eine Verteilung auf Frühstück, Mittagessen und Abendessen zu empfehlen ist. Im Idealfall sollten zehn bis 20 Prozent der täglichen Gesamtkalorienzufuhr aus Eiweiß bestehen.

Ratsam ist auch eine gute Mischung aus pflanzlichen und tierischen Eiweißen. Die besten Proteinquellen auf pflanzlicher Basis sind rote Linsen, Mandeln, Erdnüsse, Kürbiskerne, Quinoa oder auch Haferflocken und Sojabohnen. Bei den tierischen Eiweißen stehen Serranoschinken, Harzer Käse, Thunfisch, Putenfleisch sowie fettarmer Joghurt ganz oben auf der empfohlenen Speiseliste. Ideal ist, die Eiweiße bei den Mahlzeiten direkt miteinander zu kombinieren. Möglich macht das zum Beispiel ein Kartoffelgericht  mit Spiegelei oder ein Linsengericht, dem Geflügelwurst beigefügt wird.

Um der Muskulatur etwas Gutes zu tun, ist außer einer eiweißreichen Ernährung auch Vitamin D, das sogenannte „Sonnenvitamin“, zu empfehlen. Vitamin D fördert den Stoffwechsel in der Muskulatur und fördert dadurch die Regeneration und auch die Neubildung von Muskeln. Eine wichtige Rolle spielt hierbei vor allem das aktive Vitamin-D-Hormon Calcitriol, welches die Sauerstoffaufnahme der Mitochondrien im Muskelgewebe fördert und erhöht. Vitamin D kann in der Regel vom Körper selbst produziert werden – vorausgesetzt, der Mensch ist regelmäßig dem Sonnenlicht ausgesetzt. Wer krankheitsbedingt – oder auch aufgrund schlechten Wetters während der kalten und eher dunklen Jahreszeit – nur selten an die frische Luft kommt, sollte mit seinem Arzt über die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten sprechen. Auch für ältere Menschen ist diese Vorgehensweise eine Überlegung wert. Denn ab dem 65. Lebensjahr verringert sich automatisch die Fähig­keit des menschlichen Körpers, Vitamin D zu bilden.

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