Corona: Jetzt auch noch Potenzprobleme?

Seit dem Frühjahr 2020 hält uns das Coronavirus in Atem. Seitdem werden wir mit Nachrichten über das Virus geradezu überschwemmt. Dabei stehen immer wieder neue Theorien und Erkenntnisse im Zentrum der Berichterstattung bzw. des öffentlichen Interesses. So manchen rauben die Corona-Nachrichten den Schlaf; die mit der Pandemie verbundenen Ängste sind teilweise immens. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf unser Liebesleben. 

Welcher Art diese Auswirkungen sind, wollte Professor Dr. Frank Sommer genau wissen. Deshalb hat er eine in Deutschland bisher einzigartige Studie angefertigt, für die 1.026 Männer telefonisch befragt wurden. Die Ergebnisse der Befragung lieferten so manche Überraschung. Doch dazu später mehr.

Langzeitfolgen auch bei moderatem Infektionsverlauf

Zurück zu den Theorien und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2. Diese kreisen natürlich auch um das Thema Langzeitfolgen. Bislang weiß man noch vergleichsweise wenig darüber, weil das Virus so neu ist. Doch die bisherige Praxis und etliche Studien von Forscherinnen und Forschern weltweit zeigen, dass auch Erkrankte mit einem eher moderaten Verlauf teilweise noch Wochen oder sogar Monate später unter den Nachwirkungen der Infektion leiden. Ein milder Verlauf ist also keine Garantie dafür, von Langzeitfolgen verschont zu bleiben.

Betroffene sind oftmals in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt, sie haben mit Fatigue (chronischer Müdigkeit) und Konzentrationsschwierigkeiten oder aber mit körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Atembeschwerden, Kopf- und Glieder- und Gelenkschmerzen zu kämpfen. Erkrankungen der Lunge, des Nervensystems, der Blutgefäße oder der Muskulatur zählen zu den häufigsten Langzeitfolgen. Auffällig: Berichte über Corona-bedingte Erektions- und Potenzstörungen (erektile Dysfunktion) oder sogar Fälle von Impotenz mehren sich ebenfalls.

Von Corona zur erektilen Dysfunktion

Auch wir sehen in unserer Klinik, dass Männer, die mit Corona infiziert waren, besondere Krankheitsverläufe hatten. Je ausgeprägter die Krankheitsverläufe waren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Männer anschließend an erektiler Dysfunktion leiden.

Eine Theorie benennt als Ursache für die Potenzprobleme einen infektionsbedingt gestörten Stickoxidausstoß (NO) aus dem Innenbereich der Gefäßzellen. Stickoxid ist ein wichtiger Bestandteil in der Reaktionskette, damit es zu einer Erektion kommt. Zudem deutet sich an, dass das Coronavirus möglicherweise die Bildung des Sexualhormons Testosteron beeinträchtigt und zu erhöhten Östradiolwerten (weiblichen Hormonwerte) führen kann. Dieses Phänomen haben wir selbst schon im Rahmen unserer Forschung beobachtet und in Studien festgestellt, das die Östradiolwerte bei Infektionen generell nach oben getrieben werden können und dazu Testosteronwerte sinken.

Erektionsstörungen können die Folge sein. Chronische Erektionsstörungen nehmen mit dem Alter überproportional zu. Mit 60 Jahren leidet bereits jeder vierte Mann an dauerhafter Impotenz, mit 70 Jahren jeder dritte! Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch weitaus höher liegt. Denn die erektile Dysfunktion (ED) ist noch immer ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Ein (natürlicherweise) sinkender Testosteronspiegel kann mit zunehmendem Alter Probleme mit der Potenz bereiten. Hauptursache ist oft ein ungesunder Lebensstil: Rauchen, Alkohol, Übergewicht und Bewegungsmangel können die Blutgefäße schädigen und in der Folge die Durchblutung im Schwellkörper des Penis behindern. Manchmal ist die Dysfunktion auch eine Folge der Einnahme von Medikamenten, von Verletzungen oder Operationen. Schließlich können Stress, Depressionen, Angsterkrankungen oder belastende Ereignisse – wie etwa die Corona-Pandemie – eine erektile Dysfunktion auslösen.

Corona-Studie von Professor Dr. Frank Sommer: Shutdown auch beim Sex?

Zurück zu unserer Corona-Studie. Im Schnitt waren die Befragten 46 Jahre alt und seit mindestens sechs Monaten in einer festen Beziehung. Außerdem gaben knapp zwei Drittel der Befragten an, fast ausschließlich im Homeoffice zu arbeiten.

Die Zeit für Sex und Zweisamkeit hat gemäß der Studie durch die Ausbreitung des Virus und den verstärkten Rückzug in die Wohnungen deutlich zugenommen. 78 Prozent machen aus der Pandemie das Beste und nutzen die Krise als Beginn einer oft neu erlebten Sexualität. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Denn durch das ständige Aufeinanderhocken ergibt sich natürlich auch viel mehr Gelegenheit für den Austausch von Gefühlen und Liebe. Anders ist die Situation, wenn im Haushalt Kinder oder weitere Verwandte leben. Homeschooling und lärmender Nachwuchs stören vielfach die Zweisamkeit und können die Lust im Schlafzimmer schnell zum Erliegen bringen.

Viele befragte Männer haben in der Umfrage auch angegeben, dass Sex ihnen Sicherheit bringt und dass sie derzeit zunehmend mit Sexspielzeugen experimentieren. Doch wenn Erektionsstörungen auftreten, sind die Folgen noch schwerwiegender als sonst. Wie soll jemand in der Krise stark werden, wenn es nicht mal gelingt, den Penis bis zum Orgasmus einzuführen? Gefragt wurde in der Studie von Professor Dr. Sommer auch nach dem Verständnis der Partnerin bzw. des Partners, wenn Erektionsstörungen auftreten. Die Antworten hängen stark vom Alter ab: Je älter die Partnerin bzw. der Partner ist, desto mehr Verständnis und Einfühlungsvermögen bringt sie/er mit, um mit der oftmals prekären Situation umzugehen. Männer ab 40 verhalten sich dabei so, dass sie einer Erektionsstörung nicht allzu viel Bedeutung beimessen wollen. Anders ist das bei jüngeren Partnern. Wenn es da im Shutdown nicht so richtig klappt, treten häufig sogar größere Spannungen auf.

Zu einem Shutdown beim Sex kommt es, wenn sich ein Partner mit dem Virus ansteckt. Da wird dann aus Angst vor einer Infektion auf Geschlechtsverkehr komplett verzichtet. Die Angst vor dem Virus drückt somit logischerweise mächtig auf die Stimmung und die Libido, auch die Sorgen um Arbeit und Geld lassen oft erst gar keine richtige Lust aufflammen. Insgesamt werden 32 Prozent der Männer von diesen äußeren Faktoren in ihrer Lust auf Sex beeinflusst.

Vor der Therapie steht eine genaue Diagnose

Bestehen die Erektionsstörungen langfristig, ist eine genaue Diagnose unbedingt erforderlich. Geschulte Männerärzte und Urologen helfen dabei, die wahren Hintergründe aufzudecken und ein passendes Therapiekonzept zu entwickeln.

Im Rahmen der Diagnose bietet sich neben einem detaillierten Anamnese-Gespräch, einer Blutabnahme und einer umfassenden Untersuchung der Genitalien zum Beispiel eine Ultraschalluntersuchung an – und/oder eine Farbcodierte Doppler-Duplex-Sonografie. Diese spezielle Form der Ultraschalluntersuchung liefert deutlich detailliertere Informationen als eine herkömmliche Sonografie. Im Zentrum steht die Untersuchung der vier Penis-Hauptblutgefäße. Hier gilt es herauszufinden, ob der Patient womöglich unter Verengungen oder Verschlüssen leiden. Und es kann sogar gemessen werden, wie schnell das Blut in den Penis hineinfließt, wie gut es dort gehalten werden kann und wie schnell es die Schwellkörper wieder verlässt.

Mithilfe eines sogenannten Biothesiometers wird ermittelt, wie es um die Nervensensibilität bestellt ist. Die Untersuchung, die am Penis und dazu auch an mindestens einer weiteren Referenzstelle, meistens am Zeigefinger, durchgeführt wird, gibt Aufschluss darüber, ob mangelnde Nervenfunktionen an der Potenzstörung beteiligt sind. Ein guter Arzt wird auch die Schwellkörper-Zusammensetzung in Augenschein nehmen. Im Idealfall verfügt der Penis über einen Anteil an glatten Muskelzellen von wenigstens 55 Prozent. Überwiegen weicheres Bindegewebe oder Kollagene, verliert der Penis an Rigidität (Erektionshärte) und die Fähigkeit, eine für den Geschlechtsverkehr notwendige Härte für länger als wenige Minuten aufzubauen. Mit speziellen Geräten, mit denen der Penis von außen verkabelt wird, lässt sich die Gewebezusammensetzung der Schwellkörper unproblematisch und vor allem schmerzfrei analysieren.

Die gute Nachricht zum Schluss: Die Therapieansätze, die sich nach genauer Diagnose anbieten, sind zahlreich. Die Chancen, dass es im Bett bald wieder klappt, sind somit gut – und das unabhängig vom Alter und von Corona.