Beschneidung – wenn der Penis dauerhaft „blank zieht“
Es ist nur ein kleiner Hautlappen, der noch nicht einmal eine lebenswichtige Funktion hat – und doch ranken sich um ihn viele Mythen. Vor allem dann, wenn er entfernt wird. Die Rede ist von der Vorhaut und einer Beschneidung eben dieser. Die dehnbare Vorhaut umhüllt die Eichel des Penis und zieht sich bei einer Erektion nach hinten zurück. Bei einer Beschneidung wird die Vorhaut ganz oder teilweise entfernt. Beweggründe für einen solchen Eingriff gibt es viele – und noch mehr falsches Halbwissen sowie Vorurteile.
Welche Gründe gibt es für eine Beschneidung?
Am häufigsten sind religiöse Gründe ausschlaggebend für eine Beschneidung. Menschen jüdischen Glaubens berufen sich dabei auf ihren Stammvater Abraham. Ihm wird das Gebot zugeordnet, wonach jedem neugeborenem Jungen am achten Lebenstag die Vorhaut entfernt werden soll – als Zeichen des Bundes mit Abraham. Auch im Islam sind Beschneidungen weit verbreitet, wobei die Prozedur hier innerhalb eines deutlich größeren Zeitkorridors erfolgen darf, nämlich bis zum 13. Lebensjahr.
Doch nicht jeder Junge oder Mann, der sich von seiner Vorhaut verabschiedet, muss automatisch tief gläubig sein. So gewinnen zunehmend kosmetische sowie vor allem medizinische Gründe an Bedeutung.
Sieht ein beschnittener Penis schöner aus? Viel sagen: Ja. Aber das liegt natürlich im Auge des Betrachters (oder der Betrachterin). Eine Eichel, die dauerhaft freigelegt ist und nicht von einem Hautlappen umhüllt wird, erscheint manchen Menschen aber nicht nur ästhetischer, sondern oft auch erotischer. Denn ein Penis kann auf diese Weise durchaus den optischen Eindruck erwecken, dauerhaft erigiert zu sein. Bei den medizinischen Gründen, die für eine Beschneidung sprechen, muss unterschieden werden zwischen einer vorbeugenden Maßnahme sowie der Konsequenz aus einer bereits eingetretenen Erkrankung.
Die Vorhaut als Schauplatz zahlreicher Erkrankungen
Es klingt nach der sprichwörtlichen Ironie des Schicksals: Zwar kann der Vorhaut nur eine wirklich wichtige Funktion zugeordnet werden, nämlich der Schutz der Eichel vor Schmutz– und doch geht gleichzeitig von der Vorhaut auch das größte Hygieneproblem für die Eichel aus. Denn zwischen der Eichel und dem Hautlappen bildet sich unweigerlich Smegma. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Urin- und Spermaresten sowie kleinen Hautpartikeln. Wenn Smegma nicht regelmäßig entfernt wird, kann es schmerzhafte Entzündungen der Eichel verursachen.
Eine weitere Funktion der Vorhaut besteht übrigens darin, die Eichel vor einem möglichen Austrocknen zu bewahren. Sprich: Unter der Vorhaut kann die Eichel immer eine gewisse Feuchtigkeit bewahren. Doch auch hieraus ergibt sich aus dem eigentlichen Vorteil zugleich ein Nachteil: Denn in Körperregionen, die über einen gewissen Zeitraum feucht sind, können sich auch viel leichter Krankheitserreger ansammeln und verbreiten. Im Fall der Eichel kann dies ebenfalls zu einer Entzündung führen.
Bessere Hygiene möglich ohne Vorhaut
Um Entzündungen der Eichel zu vermeiden, ist eine regelmäßige Penis-Hygiene wichtig. Dazu sollte die Vorhaut – beispielsweise beim täglichen Duschen – zurückgezogen und dann die Eichel mit warmen Wasser gewaschen werden. Wenn die Eichel gar nicht mehr dauerhaft (oder zumindest die überwiegende Zeit) von einer Vorhaut umhüllt wird, kann sich natürlich erst gar kein Smegma in dem Zwischenraum ansammeln. Die Penis-Hygiene wird dadurch erleichtert.
Die medizinischen Gründe, die für eine Beschneidung sprechen, sind aber nicht nur auf das Thema Hygiene zu reduzieren. So leiden viele Männer unter einer Vorhautverengung. Das bedeutet, dass sich der Hautlappen auch bei einer Erektion des Penis nicht oder zumindest nicht komplett zurückzieht. Das wiederum kann mehrere Folgen haben: Komplikationen und Schmerzen beim Sex sowie Probleme beim Wasserlassen. Letzteres fördert wiederum die Smegma-Bildung, weil sich dadurch sehr viel mehr Harnreste unter der nur bedingt beweglichen Vorhaut ansammeln können. Dadurch steigt sofort wieder die Gefahr von Entzündungen. Diese sollten idealerweise bereits im Frühstadium bekämpft werden, weil andernfalls eine nachhaltige Schädigung auftreten kann, etwa in Form von Narben an der Eichel. Zur Ehrenrettung aller Betroffenen muss allerdings auch klargestellt werden: Eine Entzündung der Eichel (medizinischer Fachbegriff: Balanitis) kann sehr viele Ursachen haben – mangelnde Hygiene ist nur eine davon.
Weitere mögliche Gründe sind beispielswiese allergische Reaktionen (etwa auf Medikamente oder das Material von Kondomen) sowie – erneut eine Ironie des Schicksals! – übertriebene Hygiene. Wer seine Eichel zu häufig und zu intensiv wäscht, tut ihr damit keinesfalls Gutes. Wichtig ist vor allem, beim Reinigen der sensiblen Eichel besonders sanfte Pflegemittel (ph-neutral!) zu verwenden.
Ebenfalls interessant: Bei gut 30 Prozent aller Balanitis-Fälle kann überhaupt nicht geklärt werden, wo die Ursache dafür liegt. Festzustellen bleibt aber dennoch, dass Eichel-Entzündung am häufigsten durch eine Infektion mit Bakterien oder Pilzen ausgelöst – und diese werden wiederum in den allermeisten Fällen beim ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Bei beschnittenen Männern, das konnte mittlerweile nachgewiesen werden, treten Entzündungen der Eichel deutlich seltener auf als bei Männern, die noch eine Vorhaut haben.
Wenn ein Mann immer wieder – und zwar ganz egal, aus welchem Grund - von einer Balanitis heimgesucht wird, kann die Entfernung der Vorhaut ein probates Mittel sein, um weitere Entzündungen zu vermeiden. Wichtig ist hier eine individuelle Beratung durch einen Arzt und/oder Urologen. Bevor ein Mediziner zu Rate gezogen wird, ist aber auch jeder Mann selbst gefragt: Außer einer regelmäßigen (aber möglichst schonenden) Hygiene im Intimbereich ist auch ein aufmerksamer Umgang mit dem Körper wichtig. Symptome, die als Warnsignale ernst zu nehmen sind, müssen nicht immer nur Schmerzen sein (etwa beim Wasserlassen). Beispielsweise sollten auch Rötungen und Schwellungen beobachtet und im Zweifelsfall dann von einem Arzt untersucht werden.
Wie erfolgt die Beschneidung?
In bestimmten Kulturkreisen mag es sich bei der Beschneidung um ein religiöses Ritual handeln, das oft sogar in Form von Familienfesten vollzogen wird. Unser Blick gilt jedoch der Beschneidung als rein medizinischer Eingriff. Das Fachwort dafür lautet Zirkumzision, und von ihm können wiederum mehrere Beschneidungsarten abgeleitet werden.
Recht einfach erklärt ist die radikale Zirkumzision: die Vorhaut wird komplett entfernt. Bei der teilweisen Zirkumzision wird nur ein kleiner Hautlappen entfernt. Bei diesem Eingriff handelt es sich sozusagen um einen Kompromiss: Die Eichel wird zwar nicht komplett freigelegt, doch das Problem einer Vorhautverengung kann möglicherweise dadurch trotzdem bereits gelöst werden. Bei einer Inzision erfolgt lediglich ein kleiner Schnitt in die Vorhaut, durch die sie beweglicher werden soll. Auch dies kann bei einer diagnostizierten Vorhautverengung bereits helfen. Je nach Art der Beschneidung und auch der individuellen Begebenheiten kann eine Beschneidung in Vollnarkose oder auch bei nur lokaler Betäubung vorgenommen werden.
Beschneidung – welche Folgen hat sie für den Sex?
Die Frage, welche Folgen eine Beschneidung für das weitere Sexleben hat, lässt sich nicht so leicht und schon gar nicht pauschal beantworten. Zunächst einmal die rein wissenschaftliche Seite: Dass ein Penis ohne Vorhaut länger erigiert bleiben kann, gilt – zumindest bislang – als nicht bewiesen.
Doch Sex kann und darf ja nicht nur wissenschaftlich betrachtet werden. Und so, wie sich das ästhetische Empfinden nicht messen lässt, kann auch das individuelle Lustempfinden nicht definiert werden. Das bedeutet: Natürlich ist es möglich, dass ein (oder beide) Sexpartner einen beschnittenen Penis derart erotisch empfindet, dass dies positive Auswirkungen auf die Erektion hat.
Ein interessanter Aspekt ergibt sich überdies für das Thema Geschlechtskrankheiten. Denn ohne Vorhaut sinkt das Risiko einer Übertragung. Dazu muss man wissen, dass bei Krankheiten wie HIV (Aids), HPV, Hepatitis oder auch Feigwarzen die Ansteckung über Viren erfolgt. Diese können sich besonders gut in der Vorhaut einnisten, weil sich dort immer wieder kleine Risse bilden können. Daraus ergibt sich eine erhöhte Infektionsgefahr bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Kondome bieten somit einen sehr guten, wenn auch nicht hundertprozentigen Schutz.
Ebenso deutlich muss aber gesagt werden: Eine Beschneidung verringert zwar die Gefahr einer Ansteckung – auf ein Kondom sollte bei häufig wechselnden Sexpartnern aber trotzdem nicht verzichtet werden.
Ist eine Beschneidung gefährlich?
Das komplette oder teilweise Entfernen der Vorhaut gilt als medizinischer Routineeingriff. Dennoch können wie bei jedem chirurgischen Vorgang auch hier Komplikationen nicht komplett ausgeschlossen werden – sie sind allerdings sehr selten. Was hingegen durchaus häufig auftreten kann, sind kleinere Beschwerden in den ersten zwei Wochen nach dem Eingriff. Dabei kann es sich um Schmerzen im Intimbereich, leichte Nachblutungen oder auch Schwellungen handeln. Zur Linderung dieser vorübergehenden Beeinträchtigungen gibt es aber mittlerweile viele gute Medikamente.
Wichtig in diesem Zusammenhang: Während des Heilungsprozesses nach einer Beschneidung sollte sowohl auf Sex als auch auf Masturbation verzichtet werden.
Wissenswertes rund um die Beschneidung
Die Kosten einer Beschneidung, wenn sie medizinisch begründet ist, werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Jährlich gibt es in Deutschland etwa 3000 Beschneidungen aus nicht-religiösen Gründen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation ist weltweit etwa 30 Prozent der männlichen Bevölkerung beschnitten. Bei Herausnahme der jüdischen und muslimischen Männer, bei denen die Quote praktisch 100 Prozent beträgt, ist der Anteil der nicht aus religiösen Gründen beschnittenen Männer in den USA am höchsten mit etwa 70 Prozent. Zum Vergleich: In Großbritannien liegt der Anteil unter 10 Prozent