Fertilität: Das Rauchen birgt für Männer viele Gefahren

Lungenkrebs, COPD und Herzinfarkt sind Risiken, denen Raucher ausgesetzt sind. Was viele Männer aber nicht wissen: Regemäßiger Tabakkonsum senkt auch die Fertilität.

In Deutschland rauchen nach Zahlen des Bundesministeriums für Gesundheit 23,8 Prozent der Frauen und Männer ab 18 Jahren. Männer rauchen mit 27 Prozent häufiger als Frauen, die zu 20,8 Prozent rauchen. Bei den Jugendlichen ist erfreulicherweise ein Rückgang in der Raucherquote zu beobachten. An den Folgen des Tabakkonsums sterben in Deutschland jährlich über 120.000 Menschen. Damit ist das Rauchen die derzeit häufigste vermeidbare Todesursache in Deutschland und anderen Industrieländern.

Der Zigarettenrauch ist eine komplexe Mischung etlicher chemischer Verbindungen. Mehr als 7.350 chemische Verbindungen konnten Wissenschaftler bislang im Zigarettenrauch nachweisen. Die meisten davon sind Staubpartikel, über 200 Bestandteile sind giftig – und von diesen sind mindestens 69 kanzerogen, also krebsfördernd. Die Toxine ziehen neben den bekannten Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Krankheiten auch andere gesundheitliche Folgen nach sich: Viele Raucherinnen haben eine vorzeitige Menopause, sie erkranken häufiger an Brust- und Blasenkrebs als Nichtraucherinnen und sie sind eher von Unfruchtbarkeit betroffen. Darüber hinaus erhöht das Rauchen das Risiko für Fehlgeburten, extrauterine Schwangerschaften (das befruchtete Ei nistet sich außerhalb der Gebärmutterhöhle ein), vaginale Blutungen und Fehlentwicklungen.

Auch bei den Männern geht das Rauchen „unter die Gürtellinie“. Bei männlichen Rauchern zeigt sich häufig eine Reduktion der Spermienqualität und der Spermienbeweglichkeit. Bei zeugungsunfähigen (infertilen) Männern, die rauchen, ist die DNA-Fragmentierung der Spermien höher als bei Nichtrauchern. Die DNA-Fragmentierung der Spermien bezieht sich, wie der schon Name sagt, auf Brüche oder Beschädigungen des Genmaterials. Je mehr dieser Schäden vorhanden sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Schwangerschaft und einem gesunden Baby kommt.

Rauchen und Fruchtbarkeit

Rauchen senkt aus verschiedenen Gründen die Fruchtbarkeit eines Paares. Mehrere Studienergebnisse deuten darauf hin, dass ein Tageskonsum von mehr als 15 Zigaretten pro Tag die durchschnittliche Wartezeit (Time to pregnancy) bis zum Eintritt einer Schwangerschaft verdoppelt (Hassan MA, Killick SR). Und eine Meta-Analyse kam zu dem Ergebnis, dass Raucherinnen ein um 60 Prozent erhöhtes Risiko für Infertilität haben (Augood C). Darüber hinaus weiß man heute, dass es einen engen Zusammenhang zwischen dem Rauchen und der Entwicklung des Follikels (bläschenartiges Gebilde im Innern der Eierstöcke, in dem eine Eizelle heranreift) gibt. Außerdem besteht ein Zusammenhang zwischen dem Tabakkonsum und der Entwicklung von Embryonen bei Verfahren der assistierten Reproduktionstherapie – vor allem ältere Frauen sind betroffen (Zenzes MT, Wang P, Casper RF).

Studien an Spermien weisen außerdem darauf hin, dass die DNA der Keimzellen bei rauchenden Männern langfristig durch Mutationen und Aneuploiden (zusätzlich zum üblichen Chromosomensatz sind einzelne Chromosomen vorhanden oder fehlen) geschädigt werden kann. Diese Mutationen können sogar an die nachfolgenden Generationen weitervererbt werden. Eine Folge: nachteilige genetische Auswirkungen auf die Embryonen/Keimzellen (Beal MA et al.,  Mamsen LS et al.). Erwähnenswert auch die Studie von Studie des dänischen Wissenschaftlers Ravnborg et al. mit knapp 3.500 jungen dänischen Männern. Deren Mütter hatten während der Schwangerschaft geraucht. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass der pränatale Einfluss durch die im Tabak enthaltenen Giftstoffe zu einer deutlich schneller ablaufenden Pubertät führte. Die in der Studie untersuchten Männer hatten außerdem einen vergleichsweise hohen Body-Mass-Index (BMI) sowie ein unterdurchschnittliches Hodenvolumen. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass die Inhaltsstoffe des Tabaks die Funktion und Entwicklungsfähigkeit der Keimzellen beeinträchtigen.

Niktoin, Benzo(a)pyren, Cadmium

Tabakrauch ist ein Gemisch von Gasen und Aerosolen. Karzinogen wirken in erster Linie die polyzyklischen Aromate (PAH). Das Hauptalkaloid im Tabak ist das giftige Nikotin, pro Zigarette wird etwa 1 mg davon aufgenommen. Die Halbwertszeit beträgt etwa zwei Stunden. Nikotin wird im Körper zu Kotinin abgebaut. Dessen Halbwertszeit beträgt 16 bis 22 Stunden. Kotinin wurde bereits im Seminalplasma gefunden, das neben den Spermien im männlichen Ejakulat (Sperma) enthalten ist. Studien mit infertilen und fertilen Männern ergaben: Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Kotinin-Konzentration im Urin und verminderter Spermienqualität.

Das im Zigarettenrauch enthaltene Benzo(a)pyren ist ebenfalls hochkarzinogen. Ein starker Raucher, der pro Tag etwa 20 Zigaretten konsumiert, inhaliert täglich etwa 0,067 bis 0,568 μg Benzo(a)pyren (Kaiserman MJ, Rickert WS). Benzo(a)pyren führt dazu, dass sich die Anzahl der Samenzellen reduziert und dass diese weniger beweglich sind. Zudem führt Benzo(a)pyren zu einer Zunahme abnormaler Zellen (Kunzle R, Mueller MD).  Außerdem hat man herausgefunden, dass Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern signifikante höhere post-testikuläre Effekte haben: Dazu gehören beispielsweise Schädigungen der Spermien-DNA.

Weiterhin transportiert der Tabakrauch große Mengen des Schwermetalls Cadmium (0,1–0,2 μg pro Zigarette) in die Lungen. Von dort aus verteilt sich das Schwermetall mit dem Blut im Körper. In einer Untersuchung, in der die Cadmiumkonzentration im Blut von weiblichen und männlichen Patienten im Rahmen einer ART-Behandlung beurteilt wurde, konnte ein Zusammenhang zwischen der Cadmiumkonzentration beim Partner und der Fertilisierung der Eizelle gefunden werden (Kim K, Fujimoto VY, et al.)

Auf einen Mechanismus in der Steroidgenese beim Mann wiesen bereits die Daten der Tromsø-Studie aus dem Jahr 2007 hin: Männliche Raucher haben danach erstaunlicherweise eine höheren Gesamttestosteronspiegel als Nichtraucher (Svartberg J, Jorde R).

Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft - Der Einfluss des Rauchens

Raucht der männliche Partner, hat dies nachweislich eine nachteilige Wirkung auf die Entwicklung des Embryos und den Eintritt einer Schwangerschaft. Ebenso ist das Rauchen des Partners mit Fehlbildungen und Krebs im Kindesalter assoziiert. Konkret bedeutet dies: Steigt das Alter des Mannes jeweils um ein Jahr an, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Schwangerschaft ab der zwölften Schwangerschaftswoche um 2,4 Prozent. Anders gesagt: Ist der männliche rauchende Partner 40 Jahre alt, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft um 24 Prozent (Joesbury KA, Edirisinghe WR, et al.). Die Samenzellen rauchender infertiler Männer weisen oft verschiedene Veränderungen im Zellkern, eine abnormale Struktur des Chromatins, Chromosomen mit Mikrodeletionen, Aneuplodien sowie DNA-Strangbrüche auf. Im Übrigen ist Spermien-DNA an Protamin 1 und 2 als Schutzfaktor gebunden. Bei Rauchern ist die Protamin-2-Konzentration signifikant erniedrigt, dies erhöht unter anderem den oxidativen Stress im Hodengewebe (Hammadeh ME, Hamad MF, et al.)

Zigarettenkonsum wirkt sich unterschiedlich stark aus

Das Team um Charlesworth et al. analysierte die Genaktivität von Rauchern und konnte dabei 323 Gene identifizieren, die in direktem Zusammenhang mit dem Rauchverhalten stehen. Unter den Genen und Gengruppen, die am stärksten durch das Rauchen in Mitleidenschaft gezogen werden, ist das Immunsystem. Eine ältere Studie, die Rauchgewohnheiten von Männern untersuchte, zeigte, dass der Nikotinspiegel im Blut von 31,3–41,0 ng/ml variieren kann (Armitage AK, Dollery CT, et al.). Eine Untersuchung bei Zwillingen ergab, dass der Stoffwechsel von Nikotin und Kotinin von genetischen und Einflüssen wie Geschlecht oder BMI abhängig ist (wan GE, Lessov-Schlaggar CN, et al. / Lessov-Schlaggar C, Benowitz N, et al.).

Fazit

Die Dauer des Rauchens wirkt sich auf den Erfolg einer Schwangerschaft aus. Doch damit nicht genug. Wer mit dem Rauchen aufhört, hat sowohl unmittelbare als auch langfristige gesundheitliche Vorteile. Aus diesem Grund ist rauchenden Männern, Frauen und vor allem Paaren, die einen Kinderwunsch haben, unbedingt anzuraten, ihrem Rauch-Laster ein Ende zu setzen. Dies gilt insbesondere für alle jene Paare, die eine assistierte Reproduktion in Erwägung ziehen. Die möglichen negativen Auswirkungen des Rauchens auf die potenziellen Nachkommen untermauern diese Empfehlungen.