Männliche Verhütung - Kontrazeption für den Mann
Umfragen zeigen, dass fast die Hälfte aller Männer aufgeschlossen gegenüber neuen Kontrazeptiva ist. Diese sollten allerdings einfach anzuwenden und reversibel sein.
Verantwortung übernehmen: Verhütungsmethoden für den Mann
Die Entscheidung für oder gegen eine Verhütungsmethode ist nicht immer leicht. Denn dabei müssen die Lebensumstände genauso in Betracht gezogen werden wie die Chancen und Risiken.
„Ich nehme die Pille“, sagte sie. Er vertraute ihr – und wurde neun Monate später Vater eines ursprünglich nicht geplanten Kindes. Mit 17! Im Gegensatz zu diesem Paar entscheiden sich in Deutschland jährlich knapp 100.000 Paare, beziehungsweise letzten Endes meistens die Frauen, für einen Schwangerschaftsabbruch. Dabei gibt es für die Frau viele verschiedene Verhütungsmethoden, mit denen sich eine ungewollte Schwangerschaft verhindern ließe. Die Auswahl reicht von der Pille und der Spirale über den Vaginalring und das Hormonimplantat bis hin zu Depotspritze und Sterilisation, um nur einige zu nennen. Eine für jede Frau hundertprozentig geeignete Verhütungsmethode ist allerdings nicht auf dem Markt – zu sehr spielen persönliche Wünsche, die individuelle Lebenslage und der Gesundheitszustand der Frau eine entscheidende Rolle. Dazu kommen Unverträglichkeiten. Eine repräsentative Umfrage zeigt beispielsweise, dass jede zehnte Frau als Nebenwirkung von Pille, Hormonspirale & Co unter Depressionen leidet.
Männliche Verhütung - Es tut sich was
Trotz jahrzehntelanger Bemühungen in der Forschung ist Verhütung heute meistens immer noch Sache der Frauen. Doch die Zeiten ändern sich.
Mittlerweile wollen immer mehr Männer die Verantwortung für die Verhütung mit ihren Partnerinnen teilen oder die Kontrolle ihrer Zeugungsfähigkeit sogar selbst übernehmen. Und das ist auch gut so. Denn ungewollte Schwangerschaften bringen niemandem etwas.2017 gab es in Deutschland 101.200 registrierte Schwangerschaftsabbrüche. Damit ist die Zahl der Abtreibungen um ca. 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.Weltweit werden jedes Jahr fast 100 Millionen Frauen ungewollt schwanger. Einer Studie zufolge beträgt der Anteil der ungewollten Schwangerschaften an allen Schwangerschaften immerhin 44 Prozent: Dabei werden mehr als die Hälfte der ungewollten Schwangerschaften vorzeitig beendet.
Wissenschaftler auf allen Kontinenten sind sich darin einig, dass innovative männliche Kontrazeptiva eine bedeutende Rolle bei der Verhinderung ungeplanter Schwangerschaften spielen könnten. Doch die Forschung auf diesem Gebiet könnte weiter fortgeschritten sein. Der erste Internationale Kongress für männliche Kontrazeption fand übrigens 2016 statt. Organisiert wurde er vom International Consortium for Male Contraception (ICMC). Seitdem ist das Interesse an Verhütungsmethoden für den Mann angewachsen und der Bedarf an pharmakologischen Methoden zeigt sich zunehmend. Denn Männer wollen sich nicht mit den Optionen zufrieden geben, zum Kondom zu greifen oder eine Vasektomie durchführen zu lassen. Gleichwohl hat sich seit 2016 viel getan.
Kondome: Verhütungsmittel mit Zweifachwirkung
Immer mehr Männer wollen heute die Verantwortung für die Verhütung mit ihren Partnerinnen teilen. Das ist erfreulich.Für den Mann gibt es allerdings nicht so viele Verhütungsmethoden wie für die Frau. Weltweit am häufigsten zum Einsatz kommt das Kondom. Bei fachgerechter Anwendungverhindert es eine Schwangerschaft, obendrein bietet es Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) wie Aids, Tripper oder Syphilis. Der hauchdünne Gummischutz aus Kautschuk oder Latexwird vor dem Geschlechtsverkehr über den steifen Penis gezogen, der Samenerguss wird dann aufgefangen, so dass er nicht in Scheide und Gebärmutter gelangt.
Der Vorteil von Kondomen besteht darin, dass sie leicht erhältlich sind, in jede Tasche passen und – mit etwas Übung – einfach anzuwenden sind. Darüber hinaus sind Kondome gesundheitlich unbedenklich und sie müssen nur bei Bedarf angewendet werden.
Trotz der mit Kondomen verbundenen Vorteile empfinden einige Paare den Gebrauch als Störfaktor beim Liebesspiel. Darüber hinaus beklagen einige Männer, dass ihre Empfindungsfähigkeit durch Kondome beeinträchtigt wird.
So werden Kondome richtig angewendet
- Das Kondom sollte immer vorsichtig ausgepackt und angewendet werden, damit die dünne Haut nicht beschädigt wird.Vorsicht bei langen und spitzen Fingernägeln!
- Vor Gebrauch die Luft aus der Spitze drücken, dann das Kondom auf dem steifen Penis vollständig abrollen.
- Wird das Kondom aus Versehen mit der Rolle nach innen aufgesetzt, bitte nicht einfach umdrehen, sondern ein neues Kondom benutzen. Denn auf der Oberfläche des Kondoms können sich bereits Spermien oder Krankheitserreger befinden.
- Nach dem Sex das Kondom entfernen, und zwar kurz bevor die Erektion nachlässt. Damit das Kondom dabei nicht abrutscht und keine Samenflüssigkeit austritt, sollte es beim Herausziehen am Penisansatz festgehalten werden.
- Bitte beachten: Kaufen Sie nur geprüfte Markenkondome mit Qualitätssiegel (z. B. mit CE-Kennzeichnung) und achten Sie auf das Haltbarkeitsdatum.
Kommt die Pille für den Mann?
Bereits seit vielen Jahren beschäftigen sich Forscher weltweit mit der Entwicklung der Pille für den Mann. Sie soll dafür sorgen, dass im Ejakulat keine Spermien vorkommen, die bei der Sexpartnerin zu eine Schwangerschaft führen können. Heute weiß man: Um ein solches Kontrazeptivum zu entwickeln, bedarf es der Kombination aus zwei Hormonen: Testosteron und Gestagen.
Das als Männlichkeitshormon geltende Testosteron ist für die Spermienproduktion zuständig. Erfolgt eine zusätzliche Testosteron-Zufuhr von außen, werden die Hormone gehemmt und folglich die Spermienproduktion gebremst. Gestagen wird auch als Schwangerschaftshormon bezeichnet, weil es der Vorbereitung und Erhaltung der Schwangerschaft dient, indem es einen (weiteren) Eisprung verhindert. Durch die Gabe von Gestagen wird dem Körper sozusagen eine Schwangerschaft vorgetäuscht.
In Studien platzierten Forscher ihren männlichen Probanden Gestagen-Implantate unter die Haut. Parallel dazu spritzten sie Testosteron. Im Ergebnis konnte die Produktion von Spermien deutlich schneller und vor allem auch umfassender gestoppt werden als bei einem bloßen Einsatz von Testosteron. Die Wirkung beruhte auf einer Wechselwirkung der beiden Hormone. Allerdings beklagten die Probanden in vielen Studienprojekten etlicheNebenwirkungen, speziell im psychischen Bereich. Andere klagten übersexuelle Unlust und das Auftreten von Akne. Daher wurden viele der Studien nicht weiterverfolgt.
Als sehr vielversprechend gilt ein neues, oral einzunehmendes Kontrazeptivum, 11-beta-MNTDC. In ersten Studien hat es fast keine Nebenwirkungen gezeigt. 11-beta-MNTDC hat als Wirkstoff ein modifiziertes Testosteron, das wie ein Androgen, aber auch wie ein Progesteron (ein Gestagen) wirkt. Jetzt müssen weitere Studien zeigen, wie sicher und wirksam 11-beta-MNTDC tatsächlich ist. Forscher sehen darin auf alle Fälle erfolgsversprechende Ansätze für eine effektive Verhütung. Aberder Zeitpunkt, bis die Pille für den Mann für den Markt reif sein könnte, liegt noch in weiter Ferne. Es ist davon auszugehen, dass das Präparat erst in den späten 2020-er Jahren erhältlich sein wird. Mehr erfahren
Vasalgel: Injektion mit Langzeitwirkung (noch Zukunftsmusik)
Ein anderes Thema, das viele Forscher weltweit herumtreibt, ist Vasalgel (auch RISUG = Reversible inhibition of sperm under guidance). Das Polymergel wird in den Samenleiter injiziert. Bei dem vielversprechenden Skalpell-freien Ansatz werden Polymere in den Samenleiter injiziert, um den Spermientransport zu unterbrechen– es sollen also keine Spermien mehr entweichen können.
Da nur ca. 2 bis 5 Prozent des Ejakulatvolumens durch die Spermien, die im Hoden produziert werden, gegeben sind, kommt es auch bei der Ejakulation nicht zu einer signifikanten Reduktion des Volumens – genau wie bei der klassischen chirurgischen Vasektomie.
Der Vorteil dieses Gels soll nun sein, dass bei erneutem Kinderwunsch ein Gegenmittel in den Samenleiter injiziert wird. Der Gelpfropf verhindert, dass Spermien ins Ejakulat gelangen. Männer, die die Injektion erhalten, sollen für mindestens zehn Jahre unfruchtbar sein. Das Gel löst sich später wieder auf, damit soll dann wieder eine Durchgängigkeit gegeben sein. Denn es befinden sich wieder Spermien im Ejakulat und der Mann ist theoretisch gesehen wieder befruchtungsfähig.
Professor Sommer sieht diesbezüglich folgenden kritischen Punkt: Sowohl durch die erste Injektion des Gels als auch durch die auflösende Injektion komme es häufig zu Irritationen in der Samenleiterwand. Diese Irritationen könnten zu Vernarbungen führen. Die Forschungen rund um das Vasalgel sind jedoch noch längst nicht abgeschlossen. Bleibt also abzuwarten, wann das Forschungsteam um Vasalgel entsprechende mikroskopische Untersuchungen der Samenleiter nach Auflösung des Gelpropfes durchführt und wie die langfristigen Resultate über 3, 6, und 12 Monate aussehen. Grundsätzlich, so Dr. Sommer, sei der Ansatz jedoch hochinteressant.
Verhütungsgel
Ebenfalls der Entwicklung, jedoch schon in einem weiter fortgeschrittenen Stadium, ist ein Hormon-Gel mit dem Wirkungsmittel Nestoron (synthetisches Gestagen). Jetzt bleibt abzuwarten, welche konkreten Ergebnisse die entsprechende Effektivitätsstudie liefern wird. Das Gel wird einmal täglich auf die Oberarme und die Brust aufgetragen, um dann in den Blutkreislauf einzudringen.
Die Bereitschaft der Männer ist steigend
Die Bereitschaft zur Anwendung dieser Verhütungsmittel und -methoden wird voraussichtlich weiter steigen – sofern sich zeigt, dass sie gesundheitliche Vorteile für den Mann, aber auch für die Frau bedeuten. Denn die Nebenwirkungen aufgrund der Einnahme hormoneller Kontrazeptiva sind viele Frauen leid. Experten prognostizieren einen möglichen Umsatz von rund einer Milliarde Dollar bis 2024, wenn binnen der nächsten fünf Jahre eine weitere überzeugende, zuverlässige und sichere Verhütungsmethode für den Mann auf den Markt kommt.
Stealthing, ein No-Go!
Leider kommt es immer wieder vor, dass sich Männer in punkto Kontrazeption nicht so vorbildlich an die Regeln halten. Die Rede ist von Stealthing. Das ist kein neuer Sex-Trend, sondern im eigentlichen Sinn eine Straftat. Denn Stealthing bedeutet, dass Männer beim Geschlechtsverkehr heimlich und von der Partnerin oder dem Partner unbemerkt das Kondom abziehen. Der Sexualpartner bemerkt dies dann oft erst nach der Ejakulation. Das hat nichts mehr mit einvernehmlichem Sex zu tun!
Stealthing kann zu einer ungewollten Schwangerschaft führen. Außerdem birgt es ein extrem hohes Infektionsrisiko für sexuell-übertragbare Krankheiten, etwa HIV, Syphilis, Tripper oder Chlamydien. Umso tragischer ist es, dass sich im Internet Tipps und Ratschläge dazu finden lassen, wie Männer Kondome beim Sex unbemerkt loswerden können. Bleibt zu hoffen, dass das unsägliche Vorgehen als Straftatbestand benannt und verankert wird. Einen Präzedenzfall gab es bereits in der Schweiz. Dort wurde 2017 ein Mann in aufgrund von Stealthing erster Instanz wegen Vergewaltigung, in zweiter Instanz wegen „Schändung“ verurteilt. Der Täter erhielt eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung. Stealthing-Opfer sind auf alle Fälle gut damit beraten, rechtliche Schritte einzuleiten.
Zuverlässig und dauerhaft: die Vasektomie
Die Vasektomie (Sterilisation) ist die zuverlässigste Verhütungsmethode für den Mann, sofern sie professionell durchgeführt wird. Bei dem Eingriff werden die beiden Samenleiter im Hodensack durchtrennt und die losen Enden anschließend verschlossen. Dadurch gelangen keine Spermien mehr in die Samenflüssigkeit. Der Eingriff wird zumeist meist ambulant und unter örtlicher Betäubung, ganz vereinzelt auch in Vollnarkose, durchgeführt und ist mit vergleichsweise geringen operationsbedingten Komplikationen verbunden.
Keine Schnitte erforderlich werden bei der Non-Scalpel-Vasektomie (NSV). Bei dieser noch minimal-invasiveren Methode der Vasektomie benutzt der Operateur kein Skalpell. Welche Methode geeigneter ist, wird in einem persönlichen Vorgespräch abgeklärt.
Viele Männer haben die Sorge, dass sich ihr Lustempfinden nach einer Vasektomie verändert. Das ist nicht der Fall. Und auch auf die Erektionsfähigkeit, den Orgasmus und die Ejakulation hat die Vasektomie keinen unmittelbaren Einfluss. Die Menge der Samenflüssigkeit unterscheidet sich bei einem sterilisierten Mann ebenfalls kaum von der eines nicht sterilisierten Mannes. Denn die Spermien machen nur etwa fünf Prozent des Ejakulats aus. Nichtsdestotrotz sollte die Entscheidung für eine Vasektomie erst dann fallen, wenn sich der Patient sicher ist, keine Kinder (mehr) haben zu wollen. Dabei gilt es zu bedenken, dass sich Lebensumstände schnell ändern können, zum Beispiel, weil mit einer neuen Partnerschaft auch der Wunsch nach einem (weiteren) Kind wächst.
Nachkontrolle dringend empfohlen
Um zu überprüfen, ob sich noch befruchtungsfähige Spermien im Ejakulat finden, sollte die Samenflüssigkeit nach der Vasektomie mehrmals untersucht werden. Normalerweise braucht es 15 bis 45 Samenergüsse, bis keine Spermien mehr zu finden sind. Teilweise kann es aber auch mehrere Monate dauern, bis die oberen Abschnitte der Samenleiter frei von Spermien sind. Erst wenn dies der Fall ist, kann auf weitere Verhütungsmittel verzichtet werden.
Refertilisierung bei erneutem Kinderwunsch
Und wenn nach einer Vasektomie dann doch noch ein Kinderwunsch besteht? Fortschritte in der Mikrochirurgie ermöglichen es, eine Sterilisation durch eine Refertilisierung rückgängig zu machen. Bei der sogenannten Vasovasostomie werden die durchtrennten Samenleiter wieder zusammengeführt. Die Verbindung der Samenleiter ist jedoch ein Eingriff, der extremes Geschick und allerhöchste Präzision verlangt. Aus diesem Grund ist es unbedingt ratsam, einen versierten Operateur auswählen, der bereits hunderte bis tausende Refertilisierungs-Operationen erfolgreich durchgeführt hat.
Fazit
Je nach persönlicher Lebenssituation ist die „Verhütungsmethode der Wahl“ immer eine individuelle Entscheidung.Möchten Sie in absehbarer Zeit ein Kind bekommen, empfehlen sich Methoden, die rasch und einfach beendet werden können. Wünschen Sie keine (weiteren) Kinder, sind einfach anzuwendende und vor allem langfristig wirksame Verhütungsmethoden, etwa die Vasektomie, vorzuziehen. Um die am besten passende Verhütungsmethode zu finden, hilft der Austausch mit anderen. Kompetente sachliche Informationen geben Ärztinnen, Ärzte oder Beratungsstellen.