Wenn die Nebenhoden entzündet sind: Alles andere als eine Nebensache

Die Hoden glaubt jeder einigermaßen gut zu kennen: Sie sind ein männliches Geschlechtsorgan und befinden sich unterhalb des Penis im Hodensack; ihre Aufgabe ist es allen voran, Spermien und das Königshormon des Mannes, das Testosteron zu produzieren. Deutlich weniger bekannt sind die direkt benachbarten, aber deutlich kleineren Nebenhoden (griechisch: Epididymis).

Dabei haben sie ebenfalls eine sehr wichtige Funktion. Entsprechend ernst zu nehmen ist eine mögliche Entzündung eines oder beider Nebenhoden. Eine Nebenhodenentzündung (Epididymitis)kann gravierende Folgen haben – bis hin zur Unfruchtbarkeit. Von einer Nebenhodenentzündung sind deutlich mehr Männer betroffen als von einer Hodenentzündung (Orchitis). Manchmal sind aber auch beide Organe gleichzeitig entzündet (Epididymorchitis, Epididymoorchitis, Epididymo-Orchitis).

Welche Aufgaben hat der Nebenhoden?

Zunächst sollte man sich verdeutlichen, welche Aufgaben die beiden Nebenhoden im männlichen Körper haben. Sie dienen sozusagen als Lagerraum der von den Hoden produzierten Spermien. Außerdem durchlaufen die Spermien in den Nebenhoden noch den entscheidenden Reifeprozess, um anschließend für eine erfolgreiche Befruchtung sorgen zu können.

Wenn die Entzündung eines Nebenhodens nicht rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt wird, kann es im Nebenhoden und vor allem auch im angrenzenden Samenleiter zu Vernarbungen kommen. Diese stellen Engstellen dar, die den Transport der Spermien in den Penis behindern oder im schlimmsten Fall sogar komplett verhindern können. Doch selbst, wenn der Transport noch funktioniert: Wenn durch eine Entzündung eines Nebenhodens der Reifeprozess der Spermien beeinträchtigt wird, kann sich dies negativ auf die Qualität der Spermien auswirken und somit die Chance auf eine erfolgreiche Befruchtung deutlich schmälern.

Wird eine Nebenhodenentzündung frühzeitig erkannt, gibt es allerdings sehr gute Behandlungsmöglichkeiten, mit denen eine Heilung erreicht werden kann. Patienten sollten sich aber darauf einstellen, dass der Heilungsprozess langwierig sein könnte.

Was eine Nebenhodenentzündung ist

Eine Nebenhodenentzündung tritt am häufigsten bei Männern im Alter zwischen 20 und 30 Jahren sowie zwischen dem 40.und dem 60. Lebensjahr auf. Vor der Pubertät ist eine solche Erkrankung eher unwahrscheinlich.

Ihren Ursprung hat eine Nebenhodenentzündung meistens in einer bakteriellen Infektion, die wiederum durch eine Infektion der benachbarten Prostata oder der Harnwege ausgelöst werden kann. Aber auch ein Infekt der Lunge kann zu einer Epididymitis führen, hierbei „wandern“ die Bakterien über den Blutweg zum Nbenhoden und können sich dort „festsetzen“. Deshalb lässt sich grundsätzlich sagen: Ein Nebenhodenentzündung kommt fast nie allein. Überträger der Infektion ist in der Regel infizierter Urin. Somit können sich die Erreger eines infizierten Nebenhodens auch sehr schnell entlang des gesamten Samenleiters ausbreiten – wenn sie nicht sowieso schon von dort gekommen sind.

Symptome für eine Nebenhodenentzündung

Optisch ist eine Nebenhodenentzündung meist durch eine starke Schwellung sowie auch eine Rötung des Hodensacks zu erkennen. Beim Abtasten des Hodensacks fällt oft auch eine ungewöhnliche Wärme auf. Hinzu kommen in der Regel starke Schmerzen, beim Palpieren (untersuchen) des Hoden oder auch beim Wasserlassen. Zudem tritt recht häufig ein Harndrang, bedingt durch den Infekt auf, wobei jeweils nur relativ kleine Mengen von Urin ausgeschieden werden können. In Einzelfällen wird eine Nebenhodenentzündung von Schüttelfrost und Fieber – dann ist sie als „heftig“ ein zu Stufen - begleitet.

Weil vielen Männern die genaue Lage ihrer Nebenhoden gar nicht bekannt ist, bleibt eine Nebenhodenentzündung zunächst häufig unerkannt. Erschwerend kommt beim Versuch einer Selbstdiagnose hinzu, dass sich die von einer Nebenhodenentzündung ausgehenden Schmerzen oft auch in der Leiste und im Unterleib zu spüren sind. Umso wichtiger ist die rasche Konsultation eines Arztes, um ein Verschleppen der meist bakteriellen Infektion zu verhindern.

Risikofaktoren

Oft kommt es nach chirurgischen Eingriffen, die im Genitalbereich (Prostata, Blase) vorgenommen werden, zu einer Infektion des Nebenhodens. Außerdem können Patienten davon betroffen sein, denen ein Blasenkatheter gelegt werden musste.

Als ein weiterer Auslöser gilt ein möglicher Urinrückfluss in den Nebenhoden – und zwar selbst dann, wenn dieser Urin eigentlich keimfrei ist. Doch im Samenleiter kann dieser Rest-Urin, der beim Wasserlassen zurückgeblieben ist, eine chemische Reaktion auslösen, die dann wiederum zu einer Entzündung führt. Mit diesem Problem sind zwar vor allem ältere Männer betroffen. Doch auch bei jüngeren Männern kann es – möglicherweise aufgrund einer noch nicht diagnostizierten Erkrankung (Diabetes, Prostatakarzinom)-  dazu kommen, dass die Blase nicht immer komplett entleert wird. Somit steigert eine unvollständige Blasen-Entleerung nicht nur das Risiko für eine Nebenhodenentzündung, sondern kann auch als Alarmzeichen gelten, zusammen mit einem Facharzt der Ursache auf den Grund zu gehen.

Jüngere Männer, speziell mit wechselnden Geschlechtspartnern, fangen sich eine Nebenhodenentzündung nicht selten auch über sexuell übertragbare Keime wie Chlamydien ein. Eine Chlamydien-Infektion zählt weltweit zu den  häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen (STI) und ist vor allem deshalb tückisch, weil sie oft erst mehrere Wochen nach dem dafür verantwortlichen Sex bemerkt wird. Als Symptome gelten Schmerzen beim Wasserlassen oder auch Juckreize am Penis.

Eine Nebenhodenentzündung kann aber auch im Zuge einer Rheumaerkrankung oder eines viralen Infekts (Grippe, Masern) entstehen. Auch bei einigen Medikamenten gilt eine Nebenhodenentzündung als mögliche Nebenwirkung.

Behandlungsmöglichkeiten

Grundsätzlich muss festgestellt werden: Damit eine Nebenhodenentzündung wieder abklingt, ist vor allem Geduld und Disziplin erforderlich. Ist die Entzündung nicht so stark ausgeprägt, kann zwar eine medikamentöse Behandlung völlig ausreichen - in den meisten Fällen geschieht dies mit Antibiotika. Doch die damit verbundene und auch dringend empfohlene Bettruhe (wichtig dabei: den Hoden möglichst hoch lagern und ständig kühlen!) kann gut und gerne zwei Wochen in Anspruch nehmen. Erst, wenn die Schwellung sichtbar zurückgeht, wird ein Arzt die Bettruhe wieder aufheben.

Wenn eine Nebenhodenentzündung durch eine Infektion mit Chlamydien ausgelöst wurde, ist es wichtig, dass sich auch der Geschlechtspartner von einem Arzt untersuchen und in der Folge dann auch behandeln lässt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein genesener Mann nach dem nächsten Sex gleich wieder von einer Nebenhodenentzündung betroffen ist (das ist der sogenannte Ping-Pong-Effekt, der Mann bekommt den Keim dann wieder von seinem Intimitäts-Partner „zurück“).

Wann ist eine OP erforderlich?

Eine Operation kann bei Nebenhodenentzündungen aus zwei unterschiedlichen Gründen erforderlich werden. Zum einen aufgrund der Entzündung selbst, zum anderen, um mögliche negative Begleiterscheinungen wieder in Ordnung zu bringen.

Wenn eine Epididymitis bereits sehr stark ausgeprägt ist – insbesondere wenn es zu einer größeren Eiteransammlung (Abszess) gekommen ist - , hilft möglicherweise nur noch eine operative Entfernung des Nebenhodens (Epididymektomie) – im Extremfall muss auch der benachbarte Hoden entfernt werden. Denkbar ist, je nach Krankheitsbild, außerdem eine Durchtrennung des Samenleiters (Vasektomie). Diese gilt auch dann als eine Option, wenn ein Patient unter einer chronischen und somit einer immer wieder auftretenden Nebenhodenentzündung leidet.

Eine Operation kann aber auch dann noch erforderlich werden, wenn die eigentliche Nebenhodenentzündung bereits abgeklungen und beseitigt ist. Denn häufig werden durch die Entzündung die Samenwege regelrecht verklebt und verstopft. Um hier wieder für einen ungehinderten Durchfluss der Spermien zu sorgen, gibt es in der heutigen Medizin viele Möglichkeiten, auch mit mikrochirurgischen Eingriffen.

Weitere mögliche Begleiterscheinungen einer Nebenhodenentzündung sind Fisteln, die sich ebenfalls nur operativ entfernen lassen.

Jeder Mann sollte sich bewusst sein, wie wichtig gesunde Nebenhoden und damit verbunden auch voll funktionsfähige Samenleiter sind. Wer eine Nebenhodenentzündung nicht erkennt oder verschleppt, riskiert Vernarbungen und damit Engstellen sowohl im Nebenhoden als auch im Samenleiter. Von möglichen Schmerzen abgesehen, wird dadurch vor allem auch die Fruchtbarkeit deutlich eingeschränkt beziehungsweise es droht am Ende sogar eine Unfruchtbarkeit. Zusätzlich kann sich die Entzündung der Nebenhoden auf die benachbarten Hoden ausbreiten. Und eine Schädigung des Hodenparenchyms kann zu einer reduzierten Produktion von Testosteron führen.

Wie Sie sich vor einer Nebenhodenentzündung schützen

Im Gegensatz zu vielen anderen Erkrankungen lässt sich einer Nebenhodenentzündung nicht etwa durch regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung vorbeugen. Jedem Mann ist nur der Rat zu geben, auf Schmerzen sowohl im Hoden- als auch eben im Nebenhodenbereich sofort zu reagieren und einen Arzt aufzusuchen. Denn nur, wenn eine Nebenhodenentzündung rechtzeitig erkannt wird, ist eine unkomplizierte Behandlung möglich, die noch dazu keinerlei negativen Auswirkungen auf die Zeugungsfähigkeit haben.

Um zu vermeiden, dass die Infektion mit Chlamydien eine Nebenhodenentzündung auslöst, ist Männern mit wechselnden Geschlechtspartnern dringend „safer sex“, also das Benutzen von Kondomen empfohlen.